DER DIGITALE ZWILLING IN DER PRAXIS
3 Wettbewerbsvorteile durch die Nutzung der Verwaltungsschale
Bei der digitalen Transformation dreht sich alles darum, Daten nutzbar zu machen. Das ist aber leichter gesagt als getan, da Daten meist aus unterschiedlichen Quellen stammen, unbekannte Formate besitzen und in einer großen Menge verarbeitet werden müssen. Dies stellt insbesondere für die industrielle Digitalisierung eine Herausforderung dar.
Die Komplexität von Daten lässt sich mit Hilfe des Digitalen Zwillings reduzieren. Aber was genau steckt hinter diesem abstrakt wirkenden Begriff? Darüber hat Jan Veira in seinem Podcast Digital4Leaders sowohl mit Dr. Birgit Boss als auch mit Dr. Mathias Bölke gesprochen. Erfahren Sie in diesem Artikel, wie der Digitale Zwilling für Unternehmen in der Praxis eingesetzt werden kann.
Was ist ein Digitaler Zwilling?
Der Digitale Zwilling ist DER Enabler zum Mitmachen in einem digitalen Ökosystem, da Unternehmen die Datensouveränität nicht verlieren.
Konkret basiert der Digitale Zwilling eines Produkts oder Assets (z.B. einer Maschine in der Fertigung) auf der Verwaltungsschale (englisch: AAS = Asset Administration Shell). Sie erfasst und dokumentiert Daten über den gesamten Lebenszyklus des Produkts hinweg in einem standardisierten Datenmodell. Dies ermöglicht nicht nur einen herstellerübergreifenden Datenaustausch und die produktionsübergreifende Zusammenarbeit verschiedener Unternehmen. Es bietet auch neue Möglichkeiten in der Prozessautomatisierung, wenn es darum geht, Prozesse effizient, sicher und ressourcenschonend zu gestalten.
Die Verwaltungsschale…
- setzt den digitalen Zwilling für die Industrie 4.0 um.
- bietet Struktur für Informationen über Assets.
- hat definierte Informationsgruppen ("Sub-Modelle"), Schnittstellen ("API") und Prinzipien ("Semantik").
- standardisiert die Struktur von digitalen Zwillingen.
- ist Voraussetzung für den Weg zur Smart Factory, die Basis für Industrie 4.0.
- wurde von der IDTA als agiler Standard zur Umsetzung des Digitalen Zwillings entwickelt.
Drei Wettbewerbsvorteile durch den Standard des Digitalen Zwillings
Es geht in all diesen Bereichen darum, dass man mit dem digitalen Zwilling die Gesamtheit relevanter Daten für ein Asset aggregiert und zur Verfügung stellt. Damit spart man Zeit und Geld, auch schon in der Trial-and-Error-Phase, wodurch sich für die Hersteller der Aggregate über die Maschinenbauer bis hin zu den Integratoren erhebliche Vorteile ergeben.
Wie aber kann die Verwaltungsschale konkret in diesen Bereichen eingesetzt werden? Finden Sie hier anschauliche Praxisbeispiele, um zu verstehen, wie Ihr Unternehmen Wettbewerbsvorteile aus dem Digitalen Zwilling ziehen kann.
1. Asset Compatibility und Interoperabilität
Mit Hilfe der Verwaltungsschale wird die Interoperabilität von Anlagen, also die Fähigkeit, mit anderen Anlagen und Systemen zusammenzuarbeiten, erhöht: Die Verwaltungsschale macht auch den Datenaustausch zwischen Anlagen unterschiedlicher Hersteller möglich. Für Hersteller, Lieferanten, Kunden und Fabriken wird durch die standardisierte Darstellung von Daten die Kooperation vereinfacht.
- Im Use Case Schaltschrank mit Product Carbon Footprint – Verwaltung der Treibhausgasbilanz geht es um die Ermittlung des Carbon Footprint von hergestellten Produkten (PCF) sowie um die Bereitstellung dieser Information über die gesamte Lieferkette eines Produkts.
- Hier schafft die Verwaltungsschale die Möglichkeit, Informationen über den Carbon Footprint automatisiert zu teilen und aufwandsarm abzurufen – und das über verschiedene Daten-Ökosysteme hinweg.
- Dadurch wird die Interoperabilität verschiedener Daten-Ökosysteme und PCF-Berechnungsmethoden erreicht.
2. Smart Manufacturing
Der Digitale Zwilling verbindet physische Industrieprodukte mit der digitalen Welt. Er spielt daher eine wichtige Rolle im sogenannten Smart Manufacturing, wenn es um Prozessverbesserungen und neue Wertschöpfungspotenziale in der industriellen Produktion geht.
- Im Use Case Digitales Typenschild werden Produktinformationen wie Herkunft, Eigenschaften und Fähigkeiten des Produkts digital abgebildet.
- So enthält das digitale Typenschild Dokumentationen, Sicherheitshinweise in der Landessprache und erweiterte Produkt-Services.
- Es ist jederzeit aktualisierbar, wodurch Wartungsarbeiten, die Änderungen am Produkt oder Software-Updates mit sich bringen, ohne Probleme vorgenommen werden können.
- Außerdem werden große Mengen von analogen Unterlagen vermieden und damit Ressourcen geschont.
- Die Struktur der Verwaltungsschale erlaubt darüber hinaus eine modulare Erweiterung und damit große Skalierungsmöglichkeiten bis hin zu einem ganzheitlichen Digitalen Produktpass.
3. Global Impact und Standardisierung
Die Standardisierung erlaubt es, nicht nur Kosten und Manpower, sondern auch Ressourcen zu schonen und sich damit beim Thema Nachhaltigkeit ganz vorne zu positionieren. Durch Predictive Maintenance beispielsweise werden Wartungen nur dann durchgeführt, wenn sie wirklich notwendig sind, und defekte Geräte können schnell und ohne großen Engineering-Aufwand ausgetauscht werden. Auch Transparenz über den Energieverbrauch kann über den Standard des digitalen Zwillings geschaffen werden.
- Im Use Case Collaborative Condition Monitoring (CCM) werden Betriebsdaten erhoben sowie multilateral geteilt und genutzt. Dies ermöglicht die Optimierung der Zuverlässigkeit und Lebensdauer von Maschinen sowie von deren Komponenten.
- Das Netzwerk, in dem die Daten geteilt werden, besteht aus Komponentenherstellern, Maschinenherstellern und Maschinenbetreibern.
- Maschinen beinhalten typischerweise unterschiedliche Komponenten von verschiedenen Herstellern. Das stellt die Produktion vor die Herausforderung, die im Betrieb befindlichen Komponenten im Industrial Internet of Things (IIoT) zu finden, um einfach und sicher auf deren erzeugte Daten zugreifen zu können.
- Die Verwaltungsschale verringert diese Aufwände: Als standardisierte Industrie-4.0-Schnittstelle ermöglicht sie die einfache Datenintegration (z. B. via REST API) und als standardisiertes Industrie-4.0-Informationsmodell bietet sie die Möglichkeit, Betriebsdaten semantisch zu annotieren, also maschineninterpretierbar zu machen.
Gemeinsam mit der IDTA (Industrial Digital Twin Association) bieten wir zwei Blended-Learning-Trainingsprogramme zum Digitalen Zwilling an. Im ersten Training (Awareness-Training) bauen Sie ein Grundverständnis über den Digitalen Zwilling und den Standard der Verwaltungsschale auf. Im darauf aufbauenden Implementierungstraining lernen Sie, wie Sie einen Digitalen Zwilling für Ihr Unternehmen und Ihren spezifischen Anwendungsfall bauen und nutzen.
Das nächste Digital Twin Training startet bald.